Aus dem Handelsblatt-Archiv: 400 Milliarden Euro werden in Deutschland pro Jahr vererbt. Was ist mit jenen, die leer ausgehen? Ein Soziologe erklärt, was Nicht-Erben fühlen.

https://archive.is/G3rC5

  • Obelix@feddit.org
    link
    fedilink
    Deutsch
    arrow-up
    41
    arrow-down
    2
    ·
    4 days ago

    Ich glaube, dass in dieser Debatte zu viel vermischt wird und dass daher fleißig aneinander vorbeigeredet wird: Es gibt einen Unterschied zwischen den Millionenerben, die dann Firmen, Luxusvillen und was nicht alles erben und dabei mit allen Tricks die Erbschaftssteuer umgehen und dem Otto-Normalerben, bei dem es dann eher um ein paar zehntausend Euro geht. Das ist dann vielleicht eine nette Finanzspritze und wenn das Verhältnis gut ist, helfen die Mittelklasse-Eltern vllt. auch vorher in den finanziell kritischen Phasen im Leben aus, aber es ist jetzt nicht diese völlig leistungslose Hängematte, in der man als Erbe gemütlich nichts tut. Diese erbliche Finanzspritze kommt dann aber bei der aktuellen Lebenserwartung auch recht spät im Leben - eher in den 50ern, wenn die Eltern alt werden sogar in den 60ern oder gar 70ern des Lebens.

    Und am Ende steckt auch hier wieder der Endgegner aller deutschen Debatten hinter: Die gewaltige Krise auf dem Immobilienmarkt. Woran liegt es, dass die Erben so groß sind? Weil das runtergerockte Häuschen von Oma in den Boomtowns immer noch hundertausende Euro wert ist, in anderen ostdeutschen und ländlichen Regionen aber unverkäuflich. Weil die Mieten so hoch sind, dass alle, die halbwegs mietfrei im Familienheim wohnen können, einfach mehr sparen können, weil nicht alles an Vonovia geht. Weil man im Zweifelsfall das Haus übernehmen kann und nicht 600.000€ für ein eigenes zahlen muss. Und diese Krise steckt wirklich hinter allen Debatten, die wir drumrum führen: Die Kosten für das Bürgergeld oder diverse Sozialleistungen wären nicht so hoch, wenn die Mieten niedriger wären. Mit niedrigeren Mieten und Kaufpreisen hätten alle mehr in der Tasche, außer Vermieter und die Konjunkturlage sähe besser aus, dieser Squeeze in den Gehältern wäre nicht da. Die Leute könnten besser wohnen, eher aus schwierigen Wohnlagen flüchten und sind nicht in Altverträgen gefangen. Hätten wir mehr Wohnraum, könnten wir Flüchtlinge besser integrieren und es gäbe diesen elende Wohnraumkonkurrenzneid nicht. Die Erbfrage wäre weniger brisant.

    • RQG@lemmy.world
      link
      fedilink
      arrow-up
      31
      ·
      4 days ago

      Ich bin mir ziemlich sicher dass auch der Unterschied zwischen Mittelstand und aufstocker Eltern groß sein wird z.B.

      Aber wenn ich in meinem sozialen Umfeld die paar Leute sehe, die alle 10 Jahre ihre 400k Schenkung bekommen, dann kann da niemand ansatzweise mithalten. Mit Ende 20 mietfrei wohnen und ne eigene Firma leiten und nie etwas zurücklegen müssen.

      Ich hab in der selben Zeit studiert und gar nichts aufgebaut außer nem Abschluss. Und damit bin ich für Arbeiter Eltern über dem Schnitt.

      Die reichen Kinder denken dann auch öfters sie hätten das selbst erarbeitet. Oder sie könnten mir Tipps geben, wie ich das auch schaffe. Joa, elterntausch. Bald auf RTL 2.

      • brewbart@feddit.org
        link
        fedilink
        Deutsch
        arrow-up
        2
        ·
        3 days ago

        Kenne das aus meinem Umfeld auch aus einem Fall. Die Kehrseite ist, dass bei mehreren warm geerbten Immobilien die eigene Gier dann gerne als Ehrgeiz umgedeutet wird. Wenn man in so eine Unterhaltung dann so Otto Normal Perspektive einbringt macht man sich immer schön unbeliebt. Wenn man in vergleichbaren Verhältnissen das Geld, was manche nur für ihr Traumhaus ausgeben, aufbringen muss um überhaupt ein Grundstück zu kriegen - meist in weniger guter Lage - dann ist so ein Vergleich ein derber Schlag in den Magen

          • zaphod@sopuli.xyz
            link
            fedilink
            arrow-up
            1
            ·
            4 days ago

            Mag sein, aber in der heutigen Zeit nennt man das trotzdem Mittelschicht, weil der Begriff Mittelstand eine andere Bedeutung angenommen hat.

            • RQG@lemmy.world
              link
              fedilink
              arrow-up
              1
              arrow-down
              1
              ·
              3 days ago

              Joa stimmt sicherlich. ich bin etwas altmodisch in meiner Sprache manchmal.

    • copacetic@discuss.tchncs.de
      link
      fedilink
      Deutsch
      arrow-up
      3
      arrow-down
      1
      ·
      3 days ago

      Ich denke das komplizierte bei Erbschaften sind die kleinen Familienunternehmen. Sagen wir mal 50 Angestellte und 50 Millionen wert. Der Eigentümer ist also mehrfacher Millionär vor allem wegen dem Unternehmen, stirbt dann, und hinterlässt nun eine Ehefrau und zwei Kinder.

      Standardmäßig würde das Unternehmen jetzt glaube ich zu 50% and die Witwe und jeweils 25% an jedes Kind gehen? Das Aufspalten würde für Chaos bei der Unternehmenleitung führen. Also lieber ein Testament, dass Kind 1 die Firma bekommt. Soweit ich weiß ist das heutzutage befreit von der Erbschaftssteuer. Würde man jetzt eine deftige Erbschaftssteuer drauf setzen muss Kind 1 plötzlich nicht nur die Firma übernehmen, sondern auch (sagen wir mal) 30 Millionen an Steuern zahlen. Bei einem großen Aktienunternehmen (Porsche, BMW, etc) wäre das vielleicht sogar möglich, aber das Unternehmen ist zu klein um an die Börse zu gehen.

      Da gibt es natürlich viele Möglichkeiten, wie man das praktisch ermöglicht, ohne dass Kind 1 gezwungen ist die Firma zu verkaufen. Man könnte erlauben die Steuern abzustottern großzügig über viele Jahre verteilt. Der Staat könnte stiller Teilhaber der Firma werden. Man könnte Freibeträge anbieten, so dass das Unternehmen an die Mitarbeiter verschenkt wird. Das wäre eine spannende Debatte, aber die breite Öffentlichkeit scheint kein Interesse daran zu haben.

      • Obelix@feddit.org
        link
        fedilink
        Deutsch
        arrow-up
        3
        arrow-down
        1
        ·
        3 days ago

        Wenn du Barvermögen ohne weiteres an Kinder vererbst, dann fallen auf 50 Millionen 14 Millionen an Erbschaftssteuer an. Das ist dann der absolute “Worst Case”, es gibt ja in den meisten Fällen noch andere Erbberechtigte, die sich bei solchen Summen auch nicht ausbooten lassen wollen:

        -

        Aber auch so: Ist eine Menge, aber du landest da bei unter 30% Steuer. Ist blöd, im individuellen Fall sicherlich ärgerlich, aber für eine profitable Firma durchaus zu stemmen, wenn das etwas gestreckt werden kann.

        • kossa@feddit.org
          link
          fedilink
          Deutsch
          arrow-up
          3
          ·
          3 days ago

          Musst, um bei dem Beispiel zu bleiben, aber 50 Mio. als Betriebvermögen angeben. Das ist begünstigt, und - zack - sinkt die anfallende Steuer schon auf 1,7 Mio.

          Warum sind Betriebsvermögen steuerlich begünstigt? Die Antwort würde die Bevölkerung verunsichern.

      • Melchior@feddit.org
        link
        fedilink
        arrow-up
        1
        arrow-down
        1
        ·
        3 days ago

        Warum muss die Firma im Familienbesitz bleiben? Es gibt Kredite, damit kann man arbeiten und die andere Alternative ist der Verkauf von Anteilen an zum Beispiel Angestellte oder auch Private Equity.