Lorenz A., ein junger Schwarzer, wird in Oldenburg von der Polizei erschossen, offenbar von hinten. Diverse Medien verbreiten, er habe die Polizisten mit einem Messer angegriffen. Dabei gibt es dafür keinerlei Anhaltspunkte. Was es gibt: Ein Chaos an widersprüchlichen Falschmeldungen.

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So verfährt die Zeitung seit mindestens einem Jahr mit praktisch allen Polizeimeldungen, die sie bekommt. Sie lässt sie von einer KI etwas umschreiben und übernimmt sie als eigene Meldung. Was die Polizei sagt, verkauft „Bild“ damit wie einen Fakt. Ohne Konjunktiv. Und ohne es noch mal zu überprüfen. Dieses Vorgehen ist problematisch.

Was noch problematischer ist: den „Messer-Angreifer“ hat „Bild“ sich einfach ausgedacht. In der Pressemitteilung der Polizei und somit auch in der „Bild“-Meldung, die auf der Pressemitteilung basiert, ist von einem Angriff mit einem Messer gar keine Rede. Aber durch die Überschrift war der Ton für die Berichterstattung gesetzt.

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Die mediale Kritik zu der Verwirrung um das Messer wendet sich vor allem gegen die Behörden: „So kommt erst Tage nach dem Vorfall raus, dass das Opfer sein Messer in der Hosentasche und nicht in der Hand hatte“, beschwert sich etwa „Spiegel TV“-Moderatorin Maria Gresz in einer Anmoderation – und macht dafür die Staatsanwaltschaft verantwortlich. Die würde nur „im Zeitlupentempo“ neue Informationen liefern.

Eine, gelinde gesagt, absurde Behauptung. Das Gegenteil stimmt: Die Staatsanwaltschaft hat das Obduktionsergebnis schnell bekanntgemacht, direkt nachdem die Mutter von Lorenz A. benachrichtigt wurde. Es soll sich um weniger als eine Stunde Verzögerung gehandelt haben. Das ist alles andere als „Zeitlupentempo“ – das ist vorbildlich. Und in solchen Fällen bei weitem nicht selbstverständlich.

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Der Druck von außen, auch auf Medien, ist groß in so einem Fall. Alle wollen Antworten, am besten sofort. Doch wenn Medien diesem Druck nicht standhalten, wenn sie vielmehr eilig Falschmeldungen verbreiten und Informationen nicht genau überprüfen, schaden sie sich selbst und dem Vertrauen in die Medien allgemein.

Was genau in Oldenburg passiert ist am Ostersonntagabend, müssen nun die Ermittlungen zeigen. Dass aber die Polizei einen „Messer-Angreifer“ erschossen hat, dafür spricht bisher jedenfalls nichts.

  • azolus@slrpnk.net
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    10 days ago

    Unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage: In einem funktionierenden Staat sollte das als Volksverhetzung geahndet werden, wenn man hier Falschmeldungen erfindet, um einen Messerangriff durch bösen Ausländer herbeizufantasieren.